Kurswechsel auf Gleis 2 … Teil 4
Einige Wochen später finde ich ein in Packpapier gehülltes Buch in meinem Briefkasten. Aufgeregt reisse ich den Umschlag auf. In Kursivschrift springen mir die Worte “Alte Liebe” entgegen. Darüber, nicht weniger unauffällig: Elke Heidenreich, Bernd Schröder. Ich greife zum Handy. “Ihre Mitbewohnerin war Elke Heidenreich?”, erkundige ich mich irritiert. Ich fühle mich verwirrt, lasse unser Gespräch im Zug in Gedanken Revue passieren und bin mir nicht sicher, an welcher Stelle ich irgendetwas von der Wirklichkeit verpasst hatte. Mit wem, verdammt, saß ich im Zug?!
Ein Lachen am anderen Ende des Telefons holt mich in die Gegenwart zurück: “Hatte ich das nicht erwähnt?”
“Mit keiner Silbe”, antworte ich, und komme mir vor wie jemand, der mit der gleichen Überzeugung hätte behaupten können, Elvis lebt. “Vielen Dank für das Buch!”
“Keine Ursache. Ihr Buch ist übrigens auch angekommen. Ebenfalls vielen Dank.”
Keine halbe Stunde später, als ich mir einen Kaffee mache und die erste Seite des Buches aufschlage, muss ich kurz daran denken, wie verrückt das Leben manchmal spielt und welche Überraschungen es bereithält. Und dann lasse ich mich fallen in die Gedanken- und Gefühlswelt von Lore und Harry, deren wechselseitige Kommunikation mich an ihrer vierzigjährigen Ehe mit all ihren Höhen und Tiefen teilhaben lässt. Lores Fragen nach dem Sinn des Lebens, ihre Zweifel am Glück – Harrys Bequemlichkeit und die Gewohnheit, die zur Abgestumpftheit führt. Sein Wille, sich zu ändern. Als beide im Alter feststellen, dass sie immer noch glücklich miteinander sind, stirbt Lore.
Ich klappe das Buch zu und wische mir ein paar Tränen weg. Irgendwann wähle ich erneut die Nummer meiner Zugbekanntschaft. Es klingelt zweimal, dann eine freudige Stimme: “Hallo – schön, Sie zu hören. Ich sitze gerade bei schönstem Wetter auf Mallorca am Pool und habe soeben Ihr Buch durch. Selten so gelacht. Super Idee von Ihnen. Mir geht`s wieder richtig gut.” Ich schweige einen Moment. Wie war das?! Er sonnt sich gutgelaunt und ich heule ?!
“Dafür bin ich deprimiert”, möchte ich am liebsten in den Hörer brüllen, entschließe mich aber für so etwas wie: “Prima, dann hat mein Buch seinen Zweck erfüllt.”
Was für eine Ironie des Schicksals! Nur ein paar Minuten die Gedanken in eine andere Richtung gelenkt – und schon sind die Gefühle vom Kurs abgekommen. Ob meine Stimmung im Arsch ist oder himmelhochjauchzend liegt also nicht an meinen weiblichen Hormonen oder an der Sternenkonstellation, sondern einzig und allein an der Tatsache, das passende Buch im richtigen Moment zu tauschen! THE ENTE.